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Ich glaube viele, wenn nicht alle unserer Probleme basieren darauf, dass wir in Deutschland keinen Mut haben.

Man könnte sagen "dass wir keinen Mut mehr haben", aber ich möchte nicht die Nazizeit verherrlichen. Das war kein Mut, sondern blinder Größenwahn, kombiniert mit dem typischen deutschen Zwang, kognitiver Dissonanz und blinder Unmenschlichkeit.

Aber was ist seitdem passiert?

Ich blicke auf Deutschland heute:

  • die Behörden laufen auf Microsoft. Wir zahlen diesen Unternehmen Unmengen Geld für Lizenzen (209mio€ in 2022 alleine durch Behörden!)
  • alle staatlichen Apps sind ausschließlich über Google oder Apple verfügbar.
  • Alle Bahnapps sind nicht legal nach unserem eigenen Datenschutzgesetz. Das ist bewiesen, aber keiner tut etwas.
  • die Bahn ist privatisiert, schlecht und teuer
  • genauso immer mehr Krankenhäuser und andere kritische Infrastruktur
  • obwohl wir alle Möglichkeiten hätten, machen wir uns momentan durch LNG Terminals abhängig von US-Frackinggas, anstatt in Wind und und Solar zu investieren
  • "der Arbeitskräftemangel" existiert nicht in unseren Auto- und Waffenkonzernen. Es werden Arbeitskräfte verheizt für sinnlose, Klimaschädliche "Innovation"
  • unsere Krankenkassen taugen nichts, Zusatzleistungen sind privat zu zahlen
  • die Deutschen haben mWn europaweit die Geringste Eigenheim-Quote
  • Leute sind in Flatrates und Verträgen gefangen, leasen Autos, mieten und pachten und sind am Ende arm

Was haben all diese Beispiele gemeinsam? Es fehlt ihnen an Mut!

Psychologisch gesehen

  • die Menschen streben nach Neuem, Innovation, "Tech Review Videos" etc.
  • die Menschen brauchen Sicherheit, wollen kaum Veränderung, wollen Sicherheit
  • wir wollen Investieren und erfolgreich sein
  • wir haben Angst zu fallen, wollen Sicherheit

Kurz

In Deutschland ist jeder für jeden Scheiß versichert, hat aber kein eigenes Haus. Wir schützen uns vor Risiken und investieren nichts. Kritische Infrastruktur (auch Software) wird ausgelagert, um nicht verantwortlich zu sein.

Es wäre so einfach

Stellen wir uns vor, wir würden das umkehren. Wir würden einmal investieren, und nach einem oder wenigen Jahren komplett unabhängig sein!

Beispiel Software

Wir geben Unsummen an Geld für Microsoft, Adobe etc aus. Unsere Apps sind an Google, Apple und Microsoft gekettet. Windows11 hat keine "trackingfreie Premiumversion" mehr? Egal, es werden trotzdem jede Behörde benutzen. Indirekt zwingen wir Menschen zum Kauf von Smartphones und Laptops, ohne Alternativen darzustellen.

Trauen wir uns etwas, Beispiel Büro:

  • Linux
  • Firefox
  • Libreoffice
  • Nextcloud
  • Thunderbird / Webmail
  • Matrix für Kommunikation
  • BBB, Jitsi
  • Remote software, VNC, RDP...
  • Datenbanken etc...

Smartphone:

  • GrapheneOS
  • eigener Appstore als F-Droid Repository oder Fork der App
  • offene Bankenapps, Bahnapps, Versicherungen etc. durch Bundes-Repository
  • OSMand + DB APIs
  • Simplemobiletools
  • Firefox
  • K9mail
  • Florisboard
  • Assistant?
  • Nextcloud?
  • BundID möglich, alles Amts-Zeug
  • unifiedNLP mit Mozilla Datenbank gegen Abhängigkeit von GPS odee Google/Apple
  • ...

Diese Opensource-Software reicht momentan nicht an Microsoft heran. Sie ist in vielem viel besser, deckt aber nicht alle Anforderungen ab. Es braucht bezahlte Entwicklung.

Aber warum gehen ITler in die "freie Wirtschaft" und entwickeln trackende bezahl-DRM-Software? Weil sie mehr Geld verdienen und nicht mit Faxköpfen zu tun haben.

Unsere Datenschutzgesetze funktionieren nicht und werden nicht eingehalten, stattdessen werden Projekte out-gesourced.

Vorschlag:

  • ein Team aus vllt. 200 Menschen, vor allem EntwicklerInnen und JuristInnen. Gerne auch Menschen anwerben, die bereits dort arbeiten, zB. Opensource Developer oder Datenschutz-JuristInnen
  • es wird eine Liste an kritischer Software gemacht. Der Vorteil: diese ist bereits extrem gut! Es braucht lediglich bezahlte Stellen, die eine fortwährende Entwicklung garantieren können. 80% ist fertig
  • das ganze Projekt wird auf 10 Jahre angelegt und die Menschen werden sehr gut bezahlt, ihre Qualifikationen sollen gut sein, mit Fokus auf Sicherheit, NutzerInnenfreundlichkeit, Effizienz (energiesparen) etc.

Wie schwer wäre es, zB. OpenSuse zu nehmen und mit weiteren Finanzierungen daraus "GermanyOS" zu machen? Überhaupt nicht, denn es existiert ja alles bereits!

Ein Traum wäre natürlich, das alles bis zum Ende zu haben. Hardware mit Coreboot, Risc-V Prozessoren etc. Nachhaltig gefertigt, energiesparend, vertrauenswürdig, frei, reparierbar, modular. Deutsche Qualität eben, wie sie einmal war!

Und so geht das weiter... investieren, dieses ganze verdammte Ehrenamt für kritische Infrastruktur endlich entlohnen, Engagierten eine Stelle anbieten und nach wenigen Jahren hat man sich wirtschaftlich aus den Zwängen befreit!

Beispiel China

China entwickelt ihr eigenes Linux, weil sie unabhängig von den USA sein wollen. Ihr Leidensdruck scheint größer, wirtschaftliche Zwänge etc.

Aber was halten wir von den USA? Finden wir das Land, das Kriegsverbrechen begeht, die Umwelt zerstört, menschenunwürdige Gefängnisse und rassistische Polizei hat, Snowden für Aufdeckung von Horrortaten prinzipiell wahnsinnig gemacht hat und einsperren will, finden wir dieses Land gut? Wollen wir von diesem Land abhängig sein?

Was denkt ihr dazu?

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[-] tux0r@feddit.de 0 points 1 year ago

Was denkt ihr dazu?

Beim "Beispiel Software" - das ist zum Teil mein Fachgebiet - gibt es zweierlei zu beachten:

  1. Ich als Bürger und Steuerzahler möchte, dass mein Geld gut angelegt wird. Klar: Microsoftlizenzen sind teuer.
  2. Ich als Bürger und Steuerzahler möchte aber auch, dass meine Daten vernünftig verwaltet werden. Daran scheitern manche Projekte wie LiMux meiner Meinung nach oft: Die Umstellung auf andere Software ist bei Technikern kein großes Problem, aber im öffentlichen Dienst verbunden mit Schulungen für Leute, die oft wenig Berührungspunkte mit Computern in ihrem Alltag haben. Hinzu kommt: Die Migration von einem Officepaket auf ein anderes funktioniert selten verlustfrei. Die DOCX/XLSX-Formate werden inzwischen von einigen Officepaketen (bemerkenswert gut ist m.E. SoftMaker Office) ganz gut "verstanden", aber gerade bei normierten Dokumenten sind kleinste Abweichungen fatal.

Diese Opensource-Software reicht momentan nicht an Microsoft heran.

Das ist genau das Problem. Microsoft - und auch Apple! - hat das Geld für bezahltes Qualitätsmanagement. Ich formuliere es mal spitz, aber hoffentlich verständlich: würden Open-Source-Entwickler auch nur etwas mehr Ressourcen in "wir machen die Software mal attraktiv und performant" und etwas weniger in "wir haben technisch total coole Lösungen" stecken, wäre Open Source längst eine relevante Größe - ganz ohne Menschen, die aktiv dafür trommeln, wie supigut das alles doch sei. Gute Ideen brauchen keine Werbung.

Ja, man sollte sich "mehr trauen", aber eine fertige Liste (Windows, Office, Azure) durch eine andere fertige Liste (Linux, anderes Office, nextCloud) zu ersetzen ist unterkomplex. Bloß weil man einen Hammer hat, ist nicht jedes Problem ein Nagel. (Ich halte für vieles z.B. OpenBSD für eine bessere Wahl als Linux, käme aber nie auf die Idee, es als in jeder Lebenslage großartigen Ersatz für Windows zu vermarkten.)

Aber was halten wir von den USA? Finden wir das Land, das Kriegsverbrechen begeht, die Umwelt zerstört, menschenunwürdige Gefängnisse und rassistische Polizei hat, Snowden für Aufdeckung von Horrortaten prinzipiell wahnsinnig gemacht hat und einsperren will, finden wir dieses Land gut? Wollen wir von diesem Land abhängig sein?

Nein. Dazu vielleicht folgender Hinweis: Die Linux Foundation sitzt in den USA und die NSA hat große Teile zum Linuxkernel beigetragen - und nicht alles in Linux ist quelloffen.

[-] DasRubberDuck@feddit.de 2 points 1 year ago

Die Umstellung auf andere Software ist bei Technikern kein großes Problem, aber im öffentlichen Dienst verbunden mit Schulungen für Leute, die oft wenig Berührungspunkte mit Computern in ihrem Alltag haben.

Spannend, dass du die Analphabeten für so problematisch hältst, genau bei diesen Leuten sehe ich voll viel Potential für so eine Umstellung: Der Einfache Sachbearbeiter in der öffentlichen Verwaltung muss doch außer seiner "Verwaltungssoftware" und vielleicht noch nem E-Mail Client und im schlimmsten fall einem Textverarbeitungsprogramm nicht viel benutzen. Wenn man nett ist, bekommt der Kollege noch nen Browser. Das ist ein überschaubares Portfolio.

Spannender wird es eher in den mittleren und den leitenden Funktionen, wo dann bestimmte Tools "unbedingt" benutzt werden müssen, die Leute mehr Zugriffsrechte haben und freier arbeiten wollen.

Genauso sieht's aus, wenn Spezialisten-Software (CAD, Design, ...) genutzt werden muss. Hier bin ich bei dir, dass es halt aktuell Branchen-Standards gibt zu denen man dann entweder Alternativen finden muss oder die man auf ein "GermanyOS" (ich mag das Wort) adaptieren müsste. Das ist sicherlich nicht trivial. Aber: Man kann ja einem Hersteller wie Adobe auch sagen: Wir kaufen Lizenzen für jedes Stadtmarketing in ganz NRW bei dir, dafür musst du aber eine Version für "GermanyOS" bauen. MS hat doch für den Einsatz in Schulen auch ne extra Version von Office 365 gebaut, wenn ich mich recht erinnere.

Und bei den Usability Ding und Design Ding bin ich auch bei dir: Die wenigsten FOSS Produkte sehen so richtig gut aus. Die Projekte haben halt in der Regel keine Marketing-Abteilung.

[-] tux0r@feddit.de 1 points 1 year ago

Spannend, dass du die Analphabeten für so problematisch hältst, genau bei diesen Leuten sehe ich voll viel Potential für so eine Umstellung

Ich hatte in den letzten Jahrzehnten zu viel mit diesen Analphabeten zu tun, um deinen lobenswerten Optimismus in dieser Sache noch uneingeschränkt zu teilen, fürchte ich. ;-)

[-] Magusbear@lemmy.ml 1 points 1 year ago

Kann ich leider nur zustimmen. Jedes Icon/Jeder Button der nicht an der selben Stelle wie gestern ist führt zu Anrufen in der IT, dass die Software kaputt sei.

Die allermeisten User lernen die Schritte die sie im Programm machen müssen lediglich auswendig und können nicht einen einzigen Prozess auf andere Programme transferen. Wie damals in der Schule im Mathematikunterricht, sobald die Rechnung anders aussieht können die meisten die Aufgabe nicht mehr lösen.

[-] trollercoaster@feddit.de 2 points 1 year ago

Die allermeisten User lernen die Schritte die sie im Programm machen müssen lediglich auswendig und können nicht einen einzigen Prozess auf andere Programme transferen.

Ich habe für das Phänomen mal den schönen Begriff "Bedien-Depp" gehört. Die Leute drücken einfach auf auswendig gelernte Knöpfe, ohne zu wissen, warum und wozu. Auch wenn Alles eindeutig beschriftet ist, liest niemand.

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this post was submitted on 20 Sep 2023
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